Das Thema Frauenliebe im Film wird in der Filmbranche eigentlich recht stiefmütterlich behandelt. Das liegt natürlich in erster Linie daran, dass die Zielgruppe relativ klein ist und kaum Zuschauerrekorde zu erwarten sind. Trotzdem gibt es immer wieder Filmemacher, die sich dem Thema Lesben Filme annehmen und die Werke auf internationalen Filmfestivals vorstellen.
Unsere Redaktion stellt einige Klassiker vor und hat sich auch nach neuen Filmen in Kino und TV umgeschaut. Vorher machen wir aber noch einen kleinen Abstecher zur Geschichte lesbischer Lebensentwürfe in Film und Fernsehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Meilensteine der Homosexuellen-Bewegung: Wusstest Du, dass der sogenannte Schwulenparagraf erst 1994 im deutschen Strafgesetzbuch ersatzlos gestrichen wurde?
- Der steinige Weg der Frauenliebe im Film: Erst ab den 1990er Jahren etablierten sich Filme mit Geschichten zur gleichgeschlechtlichen Liebe.
- Lesben-Klassiker der Filmgeschichte: Wir stellen einige Klassiker der Vergangenheit vor.
- Neue Produktionen lesbischer Spielfilme kurz vorgestellt: Und natürlich dürfen auch Neuerscheinungen zum Thema nicht fehlen.
Lesbische Promis in Politik, Sport und Kultur
- Politik: Ulrike Lunacek (ehem. österreichische NR-Abgeordnete, MdEP, Grüne, Wien)
- Sport: Daniela Iraschko-Stolz, österreichische Skispringerin, Weltmeisterin 2011)
- Film: Ulrike Folkerts, deutsche Schauspielerin („Tatort“)
- Literatur: Carolin Schairer, Wiener Autorin („Aprikose im Kopf“)
- Musik: Christine Hödl, österreichische Sängerin, Gewinnerin der Talentshow „Die große Chance“
- Mode: Jil Sander, deutsche Modedesignerin
Der steinige Weg der Frauenliebe im Film
Die 1990er Jahre können als Wendepunkt in der öffentlichen Kino- und TV-Repräsentanz von Lesben angesehen werden. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Existenz von Schwulen und Lesben immer mehr Teil der Mainstream-Normalität. Vorher waren Filme für Lesben und über Lesben in der Filmkunst so gut wie gar nicht präsent.
Erste öffentliche Diskussionen lesbischer Beziehungen in den 1920er Jahren
Die sogenannten Goldenen Zwanziger des vorigen Jahrhunderts waren von Wirtschaftsaufschwung und einer Blütezeit der deutschen Kunst, Kultur und Wissenschaft geprägt. Es entstanden Zeitschriften wie „Die Freundin“, „BIF – Blätter Idealer Frauenfreundschaft“ oder „Liebende Frauen“, in denen erstmals auch öffentliche Diskussionen zu lesbischen Lebensentwürfen erörtert wurden.
Besonders in Berlin entwickelte sich eine lesbische Subkultur, beispielsweise im Club Violetta und dem Toppkeller. Beendet wurde diese Phase im Jahr 1929 durch die Weltwirtschaftskrise. Eine echte Sensation war in diesem Jahr der Film „Die Büchse der Pandora“. Der Stummfilm war einer der ersten Filme, in denen eine lesbische Frau gezeigt wurde. Die Schauspielerin Alice Roberts verkörpert in einer Nebenrolle die lesbische Gräfin Geschwitz. Ihre Präsenz im Film ist aber so gering, dass die pikante Tatsache nicht einmal den Kritikern ein Wort wert war.
„Die Gräfin Geschwitz schließlich wird durch Alice Roberts treffend charakterisiert.“
Siegfried Kracauer, Frankfurter Zeitung (Stadt-Blatt), 17.2.1929
Filmdaten zu „Die Büchse der Pandora
Produktion
Erscheinungsjahr: 1929; Produktionsland: Deutschland; Länge: 143 Minuten; Originalsprache: deutsch
Stab
Regie: Georg Wilhelm Pabst; Drehbuch: Joseph Fleisler, Ladislaus Vajda, Georg Wilhelm Pabst; Produktion: Seymour Nebenzahl; Musik: Timothy Brock
Besetzung
Louise Brooks: Lulu, Fritz Kortner: Dr. Peter Schön, Franz Lederer: Alwa Schön, Carl Goetz: Schigolch, Krafft-Raschig: Rodrigo Quast, Michael von Newlinski: Marquis Casti-Piani, Daisy d’Ora: Dr. Schöns Verlobte, Gustav Diesel: Jack the Ripper, Alice Roberts: Gräfin Geschwitz, Karl Etlinger: Verteidiger, Siegfried Arno: Theaterinspizient
Sonstiges
30. Januar 1929: Jugendverbot; 9. April 1934 Verbot auf Antrag des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda
Bis zu den 1990er Jahren nur eine Hand voll Lesbenfilme
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Lesbenfilme verboten, darunter auch der erwähnte Film „Die Büchse der Pandora“. Aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu Beginn der 1990er Jahre gab es nur spärlich Filme mit lesbischem Inhalt. Hier eine kleine Auswahl.
Lesbenfilme in der Zeit von 1950 bis 1990
- Anders als du und ich (Deutschland 1957): fiel in Deutschland der Zensur zum Opfer und wurde nur in Österreich gezeigt
- Zwei Freundinnen (Frankreich, 1968): Ein Claude Chabrol-Film über die lesbische Liebe zwischen der reichen Frédérique und der armen Why
- Das Bildnis des Dorian Grey (GB/I/D, 1970): Oscar Wilde-Verfilmung mit einer lesbischen Nebenhandlung
- Die bitteren Tränen der Petra von Kant (Deutschland, 1971): Rainer Werner Fassbinder-Film über die Liebe der Modedesignerin Petra von Kant zu der mittellosen Karin
- Anna und Edith (Deutschland, 1975): Erster TV-Film Deutschlands, der eine glückliche lesbische Beziehung zum Thema hatte
- Leidenschaften (Italien/Deutschland 1985): Film über die intime Liebesbeziehung zwischen der Frau eines deutschen Diplomaten mit der Tochter des japanischen Botschafters im Berlin des Jahres 1938.
- Novembermond (Deutschland/Frankreich 1985): Lesbischer Liebesfilm über eine Jüdin, die von einer Französin während der deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt wird.
- Anne Trister – Zwischenräume (Kanada/Schweiz 1986): Drama um die Liebe einer jungen Malerin zu einer Kinderpsychiaterin.
- Die Jungfrauenmaschine/Virgin Machine (Deutschland 1988): Journalistin arbeitet an einer Untersuchung über die romantische Liebe und macht dabei in den USA eine lesbische Erfahrung.
Lesben-Klassiker der Filmgeschichte
Beim Thema Filme für Lesben dürfen natürlich die Klassiker des Genres nicht fehlen. Wir haben 5 Lesben Filme ausgewählt und sie nach ihrem Erscheinungsjahr geordnet. Es handelt sich um zwei Produktionen aus den USA, je eine deutsche und österreichische Produktion und ein Film wurde in Frankreich, Belgien und Spanien produziert.
In Deutschland finden rund zehn Prozent der weltweiten Queer Filmfestivals statt. Von den 24 queeren Filmfestivals sind 16 im QueerScope – Verband der unabhängigen queeren Filmfestivals in Deutschland e.V. organisiert. Jährlich werden so über 30.000 Besucher erreicht.
Sie-sucht-Sie.ch
„Desert Hearts“– Die Mutter aller Lesbenfilme
Der Roman „Desert of the heart” von Jane Rule bildete die Grundlage zu diesem Lesben-Klassiker aus dem Jahr 1985. Er handelt von der Literaturprofessorin Vivian Bell, die nach ihrer Scheidung nach Reno in Nevada kommt und dort auf die lesbische Cay Rivvers trifft. Vivian ist fasziniert von der freigeistigen Cay und entdeckt unbekannte Gefühle in sich. Auf der Suche nach der lange verborgen gebliebene Seiten ihrer Persönlichkeit und den eigenen Wünschen muss sie sich auch mit ihrer Angst auseinandersetzen, da sie ihre Karriere in Gefahr sieht. Schließlich finden Cay und Vivian zusammen.
Regisseurin und Produzentin Donna Deitch musste mit einem Budget von 1,25 Millionen Dollar auskommen. Trotzdem spielte der Film ungefähr doppelt so viel ein.
Desert Hearts | USA 1985 |
Länge | 96 Minuten |
Regie und Produktion | Donna Deitch |
Hauptrollen | Patricia Charbonneau (Cay Rivvers), Helen Shaver (Vivian Bell) |
Drehbuch | Natalie Cooper |
Preis | Bronze Leopard beim Internationalen Filmfestival von Locarno für Helen Shaver für ihre Rolle als Vivian Bell; |
„Donna Deitch erzählt ihre Geschichte sanft, manchmal zu sanft, immer jedoch mit ruhiger Stimme und klarem Aufbau … Das ist so ergreifend und erotisch wie jede Geschichte einer ersten Liebe. Das heißt in erster Linie, dass DESERT HEARTS nicht nur ein Frauenfilm ist. Aber die Männer sehen darin dennoch nicht allzu gut aus.“
Michael Althen in „DIE ZEIT“ vom 15. Januar 1988
„Henry & June“ – Sex aller Couleur als Teil der Pariser Boheme
Der Film von Philip Kaufmann ist der kommerziell erfolgreichste in unserer Liste. Er spielte etwa 23,5 Millionen Dollar ein. Die Handlung spielt im Paris der 1930er Jahre. Anais Nin lernt in Paris Henry Miller und seine Frau June kennen. Von beiden fasziniert, erweitert sie ihren sexuellen Horizont und verliebt sich sowohl in Henry als auch in die bisexuelle June. Die lesbische Beziehung beider Frauen behandelt nicht unbedingt die Selbstfindung, sondern ist eher als Lebensstil der Pariser Bohéme und als Ausdruck betont unbürgerlicher Einstellungen und Verhaltensweisen zu verstehen.
Henry & June | USA 1990 |
Länge | 131 Minuten |
Regie und Produktion | Philip Kaufmann, Peter Kaufmann |
Drehbuch | Philip Kaufmann, Rose Kaufmann |
Hauptrollen | Fred Ward (Henry Miller), Uma Thurman (June Miller), Maria de Medeiros (Anais Nin), Richard E. Grant (Hugo Guiler) |
Preis | Oscar-Nominierung für Philippe Rousselot in der Kategorie „Beste Kamera“ |
„Der Film beschreibt die Durchdringung von Wirklichkeit und Fantasie in einem von der Außenwelt abgeschlossenen Kosmos, in dem die Protagonisten nach Selbstbestimmung, sexueller Befreiung und Freizügigkeit streben, um zu literarischer Kreativität zu gelangen. Bis auf wenige formale Ansätze erliegt er dabei seinem kunstgewerblich-geschmäcklerischen Stil und kokettiert in unverhältnismäßigem Rahmen mit erotischen ‚Skandälchen‘.“
Lexikon des internationalen Films
„Aimée & Jaguar“ – Gute Kritiken, aber finanziell ein Flop
Die Geschichte beruht auf den wahren Begebenheiten und Erlebnissen der Lilly Wust in Berlin zur Zeit des Nationalsozialismus. Im Zentrum steht die lesbische Liebe der Jüdin Felice Schragenheim zu der unglücklich verheirateten Lilly Wust. Die Faszination Lillys ob der Stärke Felices führt zu einer erotischen Liebesbeziehung. Als Felice ihr gesteht, dass sie Jüdin ist, wird die Flucht aus Deutschland geplant. Felice entscheidet sich jedoch kurz vor der Abreise dagegen und für die Liebe ihres Lebens. Sie bleibt in Berlin, wird entdeckt und kommt ins Konzentrationslager, wo sie umkommt.
Der Film hatte ein Budget von 7,5 Millionen Euro DM, spielte aber nicht einmal eine Million Euro ein. Finanziell ein Flop, ist er doch zum Kultfilm der Lesbenszene geworden.
Aimée & Jaguar | Deutschland 1999 |
Länge | 121 Minuten |
Regie | Max Färberböck |
Produktion | Günter Rohrbach, Hanno Huth, Lew Rywin |
Drehbuch | Max Färberböck, Rona Munro |
Hauptrollen | Juliane Köhler (Lilly Wust, Aimée), Maria Schrader (Felice Schragenheim, Jaguar) |
Preise | Silberner Bär auf der Berlinale, Bayerischer Filmpreis, Deutscher Filmpreis, Gilde-Filmpreis in Silber |
„Und noch in den Nebenfiguren beweist der Regisseur Max Färberböck sein Gespür für subtile Charakterisierung. Das sind Personen, denen Widersprüche und Geheimnisse gelassen werden …“
Georg Seeßlen in „Die Zeit“, 07/1999
Offizieller Trailer zum Film:
“Blau ist eine warme Farbe“ – Eher universeller Film über die Leidenschaft als nur lesbischer Liebesfilm
Adèle ist 15 Jahre alt und hat ihre erste sexuelle Erfahrung mit einem älteren Mitschüler gemacht. Der Film ist keine Geschichte über das Thema Frau sucht Frau, doch als Adèle die charismatische Emma mit den blauen Haaren zufällig auf der Straße trifft, ist sie hin und weg. Weg ist dann auch erst mal Emma. Doch das Schicksal führt beide wieder in einer Bar zusammen. Es kommt zu ersten Flirts und als Emma sie später am Schulhof abholt, beginnt eine große Liebe.
Der Film spielte bei einem Budget von 4 Millionen Euro gut 6,5 Millionen Euro ein.
Blau ist eine warme Farbe | F/B/Esp 2013 |
Länge | 179 Minuten |
Regie | Abdellatif Kechiche |
Produktion | Abdellatif Kechiche |
Drehbuch | Abdellatif Kechiche, Ghalia Lacroix |
Hauptrollen | Léa Seydoux (Emma), Adèle Exarchopoulos (Adèle) |
Preise | Goldene Palme der Internationalen Filmfestspiele von Cannes, British Independent Film Award als bester ausländischer Independent-Film, Großer Preis des FIPRESCI |
„Außergewöhnliche, anhaltend knallbrausige Explosion von Vergnügen, Traurigkeit, Zorn, Lust und Hoffnung“
Daily Telegraph
„Siebzehn“ – Erster Langspielfilm von Monja Art
Viel Lob von Kritikern und Publikum erhielt die österreichische Regisseurin Monja Art für ihren ersten Langspielfilm. Inhaltlich geht es um die erste Liebe, der sexuellen und emotionalen Orientierung sowie dem damit verbundenen Gefühlschaos in der Pubertät. Die 17-jährige Paula ist heimlich in ihre Mitschülerin Charlotte verliebt, geht allerding eine Beziehung zu Tim ein, da Charlotte mit Michael liiert ist. Allerdings hegt auch Charlotte Gefühle für Paula. Monja Art schafft es, eine Atmosphäre zu kreieren, die den Zuschauer wie in einem Tagtraum Teil der Handlung werden lässt.
Siebzehn | Österreich 2017 |
Regie | Monja Art |
Produktion | Ulrich Gehmacher |
Drehbuch | Monja Art |
Hauptrollen | Elisabeth Wabitsch (Paula), Anaelle Dézsy (Charlotte) |
Preise | Carl-Mayer-Drehbuchpreis auf der Diagonale, Filmfestival Max Ophüls Preis, Thomas-Pluch-Drehbuchpreis, DACHS-Drehbuchpreis beim Fünf Seen Filmfestival |
„Eine vergleichbare Mischung aus Zeitlosigkeit und Gegenwartsnähe – und das ohne die Anbiederung an einen angeblichen Zeitgeist – muss man im deutschen Kino (und Coming-of Age-Film) lange suchen.“
Esther Buss in „Der Freitag“ (Ausgabe 17/2017)
Neue Produktionen lesbischer Spielfilme kurz vorgestellt
Zum Schluss möchten wir euch noch einige gute Lesbenfilme vorstellen, die erst kürzlich abgedreht wurden. Da es längst kein Tabu-Thema mehr ist, wird die Anzahl neue Lesbenfilme natürlich immer größer. Wir haben ein paar interessante Lesben Filme ausgewählt und präsentieren dazu den offiziellen Trailer.
„Tell it to the bees”, Großbritannien 2018
2. „Endzeit“, Deutschland 2018
Wichtig: Kinostart in Deutschland ist am 22. August 2019. Außerdem soll der Film sowohl im Kleinen Fernsehspiel des ZDF als auch auf ARTE gezeigt werden.